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Steuerprüfer aus Überzeugung

© Steffen Füssel
Dass er in seinem späteren Job mit Menschen zu tun haben wollte, wusste Jonny schon als Schüler – dass er jetzt Steuerprüfer ist, verdankt er wohl seinem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Und sicher auch ein Stück weit dem Zufall. Denn nach bestandenem Auswahltest an der Verwaltungsfachhochschule Meißen wurde er zum Bewerbungsgespräch eingeladen. „Beim Finanzamt passte einfach alles“, erinnert er sich. „Der Gedanke der Steuergerechtigkeit hat mich überzeugt, und ich sah mich schon als Steuerpolizist oder -fahnder.“
 
Der erste Theorieblock in Meißen holte den jungen Mann auf den Boden der Tatsachen zurück. „Ich war überrascht, wie viele Steuerarten es gibt und wie komplex das Thema ist. Das sollte ich nach drei Jahren alles beherrschen? Zudem waren viele meiner Mitstudenten älter und lebenserfahrener als ich.“ Doch Jonny boxte sich durch und nahm mit der Zwischenprüfung die erste entscheidende Hürde.

Die nächste folgte beim Praktikum im Finanzamt: „Ich durchlief mehrere Abteilungen und durfte schließlich bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung dabei sein. Dort sah ich zunächst nur Zahlen, die ich nicht einordnen konnte.“ Der gestandene Kollege an seiner Seite konnte das „Mysterium“ jedoch wunderbar erklären. Vom Aha-Effekt war er so begeistert, dass er fortan wusste: So etwas will ich künftig auch machen.

Nach insgesamt drei Jahren, in denen sich Theorie und Praxis abwechselten, legte Jonny die  Laufbahnprüfung ab und setzte noch eine freiwillige Diplomarbeit obendrauf. Dann arbeitete er in der Vollstreckungsstelle, im Fachjargon „Einheitlicher Erhebungsbezirk“ genannt. „Dort hatte ich mit säumigen Steuerzahlern zu tun“, so Scholz. „Dabei ist sehr viel Fingerspitzengefühl gefragt. Man muss sich in die Situation der Betroffenen hineinversetzen können.“

Doch nicht die sensible Materie war der Grund, warum Jonny nicht auf Dauer in diesem Bereich bleiben wollte: „Mich zog es zurück zum Prüfungsdienst. Dieses Aufgabengebiet macht mir persönlich am meisten Spaß.“ Mittlerweile arbeitet der heute 27-Jährige wieder in der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und ist fast jeden Tag unterwegs. Früh checkt er seine Mails, packt seinen Koffer, setzt sich ins Auto – und fährt zu einem Unternehmer, dem er seinen Besuch zuvor angekündigt hat.

„Zunächst kläre ich in einem kurzen Gespräch ein paar Grundfragen“, berichtet er. „Wie viele Autos hat der Betrieb? Wie groß sind die Lager? Wird der Umsatz nur in der Region, bundesweit oder auch im Ausland erzielt?“ Auf dem anschließenden Rundgang macht sich der junge Prüfer Notizen zu augenfälligen Investitionen wie neuen Fahrzeugen oder einem neuen Dach – die anschließend mit ordnungsgemäßen Rechnungen belegt werden müssen. Am häufigsten werde beim Warenverkehr innerhalb der EU geschummelt. „Dann werden Steuervergünstigungen in Anspruch genommen, für die die Voraussetzungen gar nicht erfüllt sind.“

Seit 2011 ist er Vorsitzender der Bezirksjugendvertretung und somit Ansprechpartner für alle Auszubildenden in den sächsischen Finanzämtern. Und er wünscht sich, dass noch mehr junge Leute einen Zugang zum Thema Steuern finden: In Schulen und auf Ausbildungsmessen erklärt er, dass ohne Steuern beispielsweise keine Autobahnen gebaut, keine Kitas, Schulen und Unis unterhalten, keine Polizei- und Feuerwehreinsätze bezahlt werden könnten. Er beantwortet Fragen zu Praktika und Ausbildungsmöglichkeiten, und er räumt mit dem Irrglauben auf, dass Finanzbeamte Mathe-Genies sein müssen: „Es geht nicht darum, mit den Zahlen zu jonglieren, sondern sie richtig zu interpretieren.“

Artikel aus der Familienzeit. Ausgabe 19, Herbst 2016
Text: »Eine Frage der Gerechtigkeit« von Birgit Hilbig
Foto: Steffen Füssel

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